Görkau wird auch heute noch, nach vielfältiger und oft unverständlich städtebaulicher Veränderungen des Stadtbildes und nach all den Jahren der Vertreibung fast aller deutschen Bewohner nach 1945/46, von der Dekanalkirche St. Aegidius beherrscht.
Sie ist das älteste Baudenkmal der Stadt und steht in deren Zentrum zwischen dem Kirchplatz und der ehemaligen Hauptstraße. Um 1300 (lt. Frind`s Kirchengeschichte) wurde die Kirche gebaut. Beim Neubau um 1538 (im spätgotischen Stil) wurden ältere Teile des Gebäudes mit einbezogen. Der Turm wurde 1540-45 angebaut und 1583 überdacht. Zu dieser Zeit kamen die ersten lutherischen Pastoren nach Görkau und die Kirche wurde 1590 renoviert. Wenige Jahre darauf erfolgte im Rahmen der Gegenreformation in Böhmen wieder die Einsetzung römisch-katholischer Pfarrer. Eine Erweiterung der Kirche mit einem Umbau in den Barockstil erfolgte 1650. Gegen 1660 baute man an die Südseite des Kirchenschiffes die halbkreisförmige "Rothenhauser Kapelle" an. 1748 folgte der Anbau einer weiteren Kapelle an der Nordseite neben dem Turm (Hl. Johannes Nepomuk) und etwa 50 Jahre später kam eine neue Orgel in die Kirche.
Es folgten mehrere Renovierungen und Ausbesserungen an und in der Kirche. Im vergangenen 20. Jahrhundert (1919
und bis 1945) durch die deutsche Bevölkerung; 1947 wurde der Innenraum und
zu Beginn der 1990er Jahre der Außenanstrich erneuert. Dazu kamen
Veränderungen im Innern auf Grund der Liturgiereform.
Die römisch-katholische Dekanal- oder Stadtkirche St. Aegidius zeigt sich heute als einschiffige Hallenkirche mit einem vieleckigen Altarraum und einem Kappengewölbe mit Gurten. Außen ist sie durch Stützpfeiler verfestigt. Ihre Fenster sind einfach, ohne Maßwerk. Das spätgotische Hauptportal befindet sich in der Westfassade. Die zwei Kapellen und der Turm treten seitlich hervor. Der Turm ist 3stöckig, hat einen Umgang, eine Uhr und eine Kuppel mit Laterne. Mehrere Glocken (Weihe am 6.4.1924) befinden sich noch im Turm und läuten zu den Gottesdiensten. Dieser Turm gilt, wie zahlreiche andere Kirchtürme in Böhmen und Mähren auch, als Stadtturm und ist Eigentum der Kommune. Er kann bestiegen werden. Die Glocken, sowie das Kirchengebäude und das Pfarrhaus sind Eigentum der Pfarrei.
Das Innere der Kirche wurde im 18. Jahrhundert mit einem Barockaltar ausgestattet. Der Altar mit dem Tabernakel und der überragenden Darstellung des knienden Hl. Aegidius wird von einer recht großen Säulenarchitektur eingefaßt. Das Altarbild stellt die Geburt Christi dar. Zwischen den Säulen des Altares befinden sich die Stauen der Heiligen: Klemens, Ambrosius, Wenzeslaus (Wenzel) und Vitus (Veit). Nach den Festlegungen der Liturgiereform (1964) ist auch in der Görkauer Dekanalkirche ein zusätzlicher freistehender "Volksaltar" in ähnlicher Säulenarchitekur im Altarraum aufgestellt worden, damit der Priester den Gläubigen zugewandt die Hl. Messe feiern kann.
An den Wänden vor dem Altarraum befinden sich rechts der Herz-Jesu-Altar und links der Marien-Altar. Darüber sind jeweils Schriftzüge angebracht; vor 1945 in Deutsch, heute in Tschechisch. Leider führten unsere Nachfragen zu den alten deutschen Inschriften bei der Pfarrei in Görkau/ Jirkov, bei der Konservatorin des Bistums Leitmeritz / Litomerice und bei alten Görkauer Landsleuten bisher nicht zum erhofften Erfolg. Es gab nur "Bruchstücke" der Erinnerung. Beim Treffen des GFK 2012 fanden sich in einem Extrablatt der jährlichen Zeitschrift die alten Inschriften. Allerdings ohne fotographischen Beleg. Durch das Bemühen von Frau Inge Glöckner vom GFK konnten zwei alte Fotos gefunden werden, die diese alten Texte belegen.
Diese alten Inschriften, deren Entstehungsdatum leider bisher nicht bekannt ist, waren für unsere Vorfahren tröstende Glaubensaussagen; sie können es aber auch für die heutige Generation sein.
Die gegenwärtigen tschechischen Inschriften lauten:
Zum Patron der Kirche:
Der Heilige Aegidius wurde um 640 in Griechenland geboren und starb etwa 720. Er war griechischer Kaufmann und später Benediktinermönch und Abt von Saint-Gilles in Südfrankreich. Er ist einer von den Vierzehn Nothelfern und war im Mittelalter sehr populär. Im deutschen Sprachraum ist er unter verschiedenen Namen und Schreibweisen bekannt: Aegidius, Ägidius, Egydius, Ilgen, Gilgen, Gilgian u.a.; im Tschechischen wird er Svaty Jilji genannt. In Abbildungen wird der Hl. Aegidius als Einsiedler oder Mönch dargestellt mit einem Krummstab und in Begleitung einer Hirschkuh. Sein Festtag ist der 1. September. (Foto: Statue des Hl. Aegidius in der Pfarrkirche Oberbuch/Bayern) |
Ein bemerkenswertes Bild ist außen an der Ostseite der Kirche erhalten geblieben; es war beschädigt und wurde 2014 restauriert. Das Bild zeigt die biblische Darstellung: "Das Beweinen Christi". Maria, die Mutter Jesu, mit ihrem toten Sohn nach der Kreuzabnahme und Freunde, die um ihn trauern.
Die Texte zu diesem Bild sind sehr aussagekräftig für alle, die
das Schicksal der Vertreibung traf. Diese Worte und das Bild können auch für die
neuen Bewohner unserer alten Heimatstadt Görkau beachtenswerte Mahnung sein.
Der verhängnisvolle Maskenzug in Görkau 1588 (siehe unter Rückblicke 2016)
Bericht über die "Tempis-Kapelle" am alten Weg von Komotau nach Görkau (siehe unter Rückblicke 2016)